Mit zum Rüstzeug jeder Planung einer Auswanderung gehört seit langem die „Flaggentheorie“ (englisch: Flag Theory) .
Sie ist ist ein Konzept für internationale Lebensgestaltung, das darauf abzielt, die persönlichen, steuerlichen und rechtlichen Vorteile mehrerer Länder zu kombinieren und sicher zu gestalten. Sie wurde ursprünglich in den 1950er-Jahren von dem Investor Harry D. Schultz entwickelt und richtet sich vor allem an Unternehmer, digitale Nomaden und wohlhabendere Individuen, die ihre Freiheit maximieren, Steuern minimieren und Risiken diversifizieren möchten.
Das zentrale Prinzip der Flaggentheorie ist, dass man sein Leben, seine Geschäfte und sein Vermögen so auf verschiedene Länder verteilt, dass jedes Land nur eine bestimmte Rolle übernimmt.
Dieses Vorgehen wird auch als das „Pflanzen von Flaggen“ bezeichnet, wobei jede Flagge für eine spezifische Funktion oder einen Nutzen steht. Ursprünglich bestand die Theorie aus drei Flaggen, wurde aber später auf fünf oder mehr Flaggen erweitert.
Hier sind die klassischen fünf Flaggen und ihre Bedeutung:
1. Wohnsitzflagge (Steuerwohnsitz)
Der erste Schritt in der Flaggentheorie ist, einen steuerlich vorteilhaften Wohnsitz zu wählen, ohne dort tatsächlich leben zu müssen.
Hierbei sucht man ein Land aus, das niedrige oder keine Einkommenssteuern erhebt, keine Anwesenheit verlangt und gleichzeitig eine hohe Lebensqualität bietet.
Beispiele sind Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Monaco oder Panama.
Ziel ist es, die Steuerbelastung zu minimieren und von günstigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu profitieren.
Hier nimmt man den „offiziellen Wohnsitz“ nach den Regeln, die das Land dafür vorgibt, so dass gewollte Steuerpflicht entsteht. Dafür besorgt man sich die üblichen Nachweise (Steuernummer, Verbrauchsrechnungen etc.), die man unter anderem auch für die Eröffnung von Bankkonten benötigt.
Dies beinhaltet nicht, dass Du dort auch dauerhaft wohnen willst.
Richtige Profis besorgen sich mehrere Steuerwohnsitze, für den Fall, dass irgendwann einer „nicht mehr funktioniert“.
2. Staatsbürgerschaftsflagge (Reisefreiheit)
Die Staatsbürgerschaft sollte von einem oder mehreren Ländern stammen, die maximale Reisefreiheit bieten und den persönlichen Schutz fördern. Zum Beispiel ermöglicht ein EU-Pass den Zugang zu vielen Ländern ohne Visum.
Manche Auswanderer erwerben aber eine zweite oder dritte Staatsbürgerschaft, sei es durch Aufenthalt, Investitionsprogramme, Heirat oder durch Abstammung.
Eine zusätzliche Staatsbürgerschaft kann als Absicherung dienen, falls es politische oder wirtschaftliche Probleme im Land der 1. Nationalität gibt (Rückzugssicherung). Und eventuell auch die Reisefreiheit erweitern.
3. Geschäftsflagge (Unternehmensstandort)
Der Sitz des eigenen Unternehmens sollte in einem Land registriert werden, das niedrige Unternehmenssteuern, wenige Regulierungen und eine unternehmerfreundliche Umgebung bietet.
Häufig gewählte Standorte sind Länder wie Estland, Singapur, Panama, Bahamas oder die Cayman Islands – aber auch die USA.
Dadurch können Geschäftsgewinne steuerlich optimiert und rechtliche Herausforderungen reduziert werden.
4. Vermögensflagge (Bank- und Vermögensschutz)
Bankkonten, Immobilien und Investitionen werden in stabilen Ländern mit starken Bankensystemen angelegt.
Ziel ist es, das Vermögen vor politischen oder wirtschaftlichen Risiken im Wohnsitzland zu schützen.
Beliebte Länder hierfür sind die Schweiz, Singapur oder Liechtenstein. Auch das Halten von Kryptowährungen kann Teil der Vermögensstrategie sein. Da sich oft die Diversifikation von Vermögensstandorten empfiehlt, kann es mehrere Vermögensflaggen geben (Immobilien USA, Gold Singapur, Baranlagen Schweiz).
5. Freizeitflagge (Lifestyle und Reisen)
Das Land, in dem man die meiste Zeit verbringt, muss nicht dasselbe sein wie der steuerliche Wohnsitz.
Es geht um persönliche Vorlieben wie Klima, Kultur oder Sicherheit.
Viele nutzen Länder wie Thailand, Spanien oder Mexiko für ihren Lebensstil, während der (steuerliche) Wohnsitz offiziell woanders ist.
Die Flaggentheorie bietet eine Blaupause für Menschen, die ihre Freiheit maximieren und globale Vorteile nutzen möchten. Dies ist selten in einem einzigen Land möglich.
Für Digitale Nomaden sind Überlegungen dieser Art von besonderer Bedeutung, denn sie haben per Definition eine ganze Sammlung an Freizeitflaggen, vergessen aber oft, wie wichtig der Steuerwohnsitz für sie ist,
Sie setzt jedoch voraus, dass man sich intensiv mit den rechtlichen, steuerlichen und administrativen Anforderungen verschiedener Länder auseinandersetzt. In der modernen Welt, in der Globalisierung und Digitalisierung grenzüberschreitendes Leben erleichtern, gewinnt dieses Modell an Popularität. Jedoch ist es auch komplex und erfordert gute Beratung, um rechtliche Probleme zu vermeiden.
Beispiel einer Flaggentheorie-optimierten Auswanderungsstrategie
Klaus M. ist Deutscher und wohnt seit langem in München. Er ist Dipl.-Ingenieur und verdient sein Geld inzwischen ortsunabhängig im eCommerce mit Gewerbeschein. Klaus möchte gerne als Digitaler Nomade durch die Welt reisen und sein eCommerce-Geschäft unterwegs weiter ausbauen.
Er startet seine Vorbereitung der Flaggentheorie, indem er nach Panamá fliegt, dort Urlaub macht und nebenher eine panamesische, steuerfreie Aktiengesellschaft, die „Klaus Inc.“ gründet. Nach Rückkehr verkauft er sein eCommerce-Business zu einem symbolischen Preis an diese neue Firma und meldet sein Gewerbe ab (Flagge3: Unternehmenssitz). Ebenso gründet er eine private, nicht gemeinnützige, steuerfreie Panama-Stiftung, über die er künftig sein wachsendes Vermögen verwalten will. Die Beteiligung an seinem Panamá-Unternehmen bringt er direkt in die Stiftung ein. Ebenso eröffnet er Bankkonten für Unternehmen und Stiftung in Panamá.
Da er in Vorbereitung seiner Auswanderung bereits sein Einfamilienhaus verkauft hat, verfügt er über 250.000€ in cash. Er bucht einen Flug auf eine Karibik-Insel, urlaubt wieder am Strand und besichtigt einige Häuser. Nachdem er eines der Häuser in bester Lage gekauft hat, beantragt er die Staatsangehörigkeit des Landes und erhält bald seinen Zweitpass (Flagge 2: Reisepass). Nun kann er in wirklich jedes Land der Welt reisen und jederzeit in Krisenzeiten auf die Insel zurückkehren. Sein Haus überlässt er einem Airbnb-Makler, der es gewinnbringend für ihn vermietet. Die lokalen Steuern auf die Mieterträge zahlt Klaus gerne.
Seinen Rückflug bucht er über Zürich, wo er in eine Filiale der PostFinance geht und ein kostenloses schweizer Girokonto eröffnet, was nie schaden kann. Sodann besucht er einige schweizer Banken, um die Konten und Vermögensverwaltung seiner wachsenden Panama-Stiftung dort zu führen. Man bescheidet ihm „grundsätzlich ja, aber erst wenn ihre Stiftung etwas mehr an Masse gewonnen hat“. „Auch gut, dann komme ich später nochmals wieder“, sagt sich Klaus (Flagge 4: Vermögen).
Zurückgekehrt nach Deutschland löst er seinen Rest-Haushalt auf, meldet sich ab und bucht einen Flug nach Malta, wo er sich ein preiswertes Appartment anmietet, Internet / Strom / Wasser anmeldet und ein Bankkonto eröffnet. So hat er laufende Verbrauchsrechnungen, die er von seinem lokalen Bankkonto abbuchen läßt. Sodann geht er in Malta zur Meldebehörde – als EU-Bürger bekommt er unproblematisch eine Aufenthaltsgenehmigung -, meldet seinen Wohnsitz an und beantragt seine Steuernummer. In seiner besonderen Situation – dies hat ihm ein Experte ausgearbeitet – hat er weder Anwesenheitspflicht noch Steuerpflicht in Malta, ist aber formal steuerpflichtig, was er überall in der Welt (auch dem deutschen FInanzamt gegenüber) nachweisen kann. Die geringen laufenden Kosten des Appartments (in dem seine Familie und Freunde Urlaub machen dürfen, damit die Verbrauchsrechnungen seine Anwesenheit simulieren) ist ihm seine Steuersicherheit- und freiheit wert (Flagge 1)
Nach einigen Wochen hat Klaus sein komplettes Flaggen-Setup erledigt und ist ein freier Mann. Sein nächstes Ziel ist Thailand, wo er sich einige Wochen am Strand erholen und sein eCommerce weiter ausbauen wird, bevor er dann weiter nach Indonesien und auf die Philippinen ziehen will. In einigen Jahren will er sich auf den Bahamas ein Haus kaufen und eher stationär werden.
Zusammengefasst:
- steuerlicher Wohnsitz: Malta – keine Steuerpflicht
- Reisepässe: Deutschland, Karibik-Insel
- Unternehmen: Aktiengesellschaft mit Banking in Panama
- Vermögen: panamesische Stiftung, später Konten / Vermögensverwaltung in der Schweiz
- Aufenthaltsort: bis auf weiteres unterwegs, später Bahamas
Die angenommenen Länder und Parameter sind Fantasie – sie sollen nur veranschaulichen, wie ein Auswanderer / digitaler Nomade seine Strategie zu Steuerfreiheit, Reisefreiheit, Rückzugssicherheit, Vermögensschutz diversifizieren und in hohem Maße absichern kann. Dies im Einzelfall rechtssicher auszuarbeiten, ist Aufgabe eines Experten.
Längst nicht alle Auswanderer schaffen die Umsetzung der gesamten Flaggentheorie. Es ist aber durchaus sinnvoll, sich damit zu beschäftigen und diese Komponenten mit einzuplanen.
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