Territorialbesteuerung, Weltweite Besteuerung und Besteuerung nach Nationalität – was Auswanderer wirklich wissen müssen
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Steuern gehören zu den komplexesten und gleichzeitig wichtigsten Themen im Auswanderungsprozess. Viele Menschen entscheiden sich überhaupt erst für ein Leben im Ausland, weil sie sich eine einfachere oder günstigere steuerliche Situation wünschen. Andere möchten rechtliche Risiken vermeiden oder ihre steuerliche Planung optimieren. Doch die wenigsten wissen, wie unterschiedlich die Steuersysteme der Welt funktionieren – und welche Konsequenzen dies für ihren Lebensalltag hat.

In diesem Artikel erklären wir die drei globalen Grundmodelle der Besteuerung:

  1. Territorialbesteuerung

  2. Weltweite Besteuerung

  3. Besteuerung nach Nationalität

Wir beleuchten, in welchen Ländern diese Systeme angewendet werden, für wen sie attraktiv sind und welche Fallstricke es gibt. Ziel ist es, dir als angehendem oder bestehendem Auswanderer einen klaren Überblick zu geben, damit du fundierte Entscheidungen treffen kannst.

1. Territorialbesteuerung – Steuern nur auf Einkommen im Land

Die Territorialbesteuerung ist für viele Auswanderer das attraktivste Modell. Das Prinzip ist simpel:

Nur Einkommen, das im Land erwirtschaftet wird, ist steuerpflichtig. Auslandseinkommen bleibt steuerfrei.

Das bedeutet: Wer in einem Land mit Territorialbesteuerung lebt, aber sein Geld online verdient, Einnahmen aus anderen Staaten hat oder Investitionen im Ausland hält, zahlt im Wohnsitzland oft 0% Einkommensteuer – solange die Einnahmen nicht lokal entstehen.

1.1. Länder mit Territorialbesteuerung

Die bekanntesten Beispiele:

  • Panama

  • Costa Rica

  • Paraguay (de facto territorial, aber steuerpolitisch im Wandel)

  • Malaysia (mit Ausnahmen für ausländische Dividenden)

  • Thailand (teilweise, jedoch komplizierter geworden)

  • Singapur (weitgehend territorial)

  • Hongkong

  • Georgien (nicht offiziell territorial, aber sehr auslandsfreundlich)

  • Malta (Remittance-Based: nur Geld, das ins Land gebracht wird)

Obwohl jedes Land eigene Regeln hat, ist das Grunddenken ähnlich:

Lokale Arbeit = steuerpflichtig
Auslandseinkünfte = oft steuerfrei oder nur minimal belastet

1.2. Für wen ist dieses System ideal?

  • Digitale Nomaden

  • Unternehmer, die im Ausland verkaufen

  • Remote-Arbeiter mit ausländischem Arbeitgeber

  • Investoren

  • Online-Coaches, Webdesigner, Programmierer

  • Menschen mit Kapitaleinkünften, die nicht lokal entstehen

Für diese Gruppen kann Territorialbesteuerung enorme Vorteile haben.

1.3. Grenzen des Systems

  • Territorialbesteuerung schützt NICHT vor Steuerpflicht im Herkunftsland.

  • Doppelbesteuerungsabkommen sind oft schwach oder fehlen.

  • Banken können Rückfragen stellen, wenn Einkommen steuerfrei ist.

  • Manche Staaten verlangen aktive Substanz (Miete, Aufenthaltszeit, etc.), um den „echten Wohnsitz“ nachzuweisen.

2. Weltweite Besteuerung – das globale Standardmodell

Die meisten westlichen Staaten – darunter Deutschland, Österreich und die Schweiz – basieren auf Weltweite Besteuerung.

Das bedeutet: Die Steuerpflicht gilt für ALLE Einkünfte – egal wo auf der Welt sie entstehen.

Ein deutscher Steuerpflichtiger, der in Spanien arbeitet, in den USA investiert und in Dubai Immobilien hält, muss grundsätzlich alle Einkünfte in Deutschland versteuern – solange er in Deutschland steuerlich ansässig ist.

2.1. Steuerpflicht durch „Wohnsitz“ oder „gewöhnlichen Aufenthalt“

Deutschland, Österreich und die meisten EU-Staaten definieren die Steuerpflicht über:

  • einen Wohnsitz

  • einen gewöhnlichen Aufenthalt (183-Tage-Regel, aber nicht nur)

  • wirtschaftliche Bindungen

  • familiäre Bindungen

  • das Zentrum der Lebensinteressen

Das macht die Weltbesteuerung besonders streng: Man kann in Deutschland steuerpflichtig sein, selbst wenn man überwiegend im Ausland lebt – wenn das Finanzamt zum Beispiel argumentiert, dass:

  • Familie noch in Deutschland lebt

  • Immobilien in Deutschland weiter genutzt werden

  • Kinder in Deutschland zur Schule gehen

  • man weiterhin eine Wohnung besitzt

  • der Lebensschwerpunkt nicht wirklich verlagert wurde

2.2. Doppelbesteuerungsabkommen – Schutz oder Falle?

Viele Auswanderer glauben, dass ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) garantiert, dass man nur in einem Land zahlen muss.

Aber die Realität ist differenzierter:

  • DBA verhindern primär zweifache Belastung

  • Sie bestimmen, welches Land welche Einkünfte besteuern darf

  • Aber: Sie verhindern nicht, dass man zwei Steuererklärungen einreichen muss

  • Und sie verhindern nicht, dass man im Heimatland weiterhin steuerpflichtig bleibt

In vielen Fällen ist das DBA eher ein Instrument zur Zuteilung, nicht zur Befreiung.

2.3. Für wen ist weltweite Besteuerung problematisch?

  • digitale Arbeiter, die frei international leben wollen

  • Unternehmer, deren Kunden außerhalb des Wohnsitzlandes sitzen

  • Trader, Investoren, Vermieter

  • Menschen, die ein steuerlich optimiertes Leben anstreben

  • Auswanderer, die ihre Bindungen zum Herkunftsland nicht vollständig lösen

Kurz: Weltweite Besteuerung ist das Gegenteil von steuerlicher Freiheit.

3. Besteuerung nach Nationalität – weltweit extrem selten

Das dritte Modell ist die Besteuerung nach Staatsbürgerschaft. Hier bleibt man steuerpflichtig – unabhängig davon, wo man lebt. Dieses System existiert nur in zwei Ländern der Welt:

  • USA

  • Eritrea

3.1. Die USA – Steuern auf Lebzeiten

Ein US-Staatsbürger bleibt sein Leben lang steuerpflichtig, selbst wenn er:

  • in Japan arbeitet

  • in Dubai lebt

  • in Thailand studiert

  • in Ecuador investiert

  • in Belgien Rente bekommt

Es gibt nur zwei Wege, diese Steuerpflicht loszuwerden:

  1. Renunciation – Aufgabe der Staatsbürgerschaft

  2. Green Card aufgeben (auch diese erzeugt eine Quasi-Steuerpflicht)

Die USA verlangen:

  • jährlich die Steuererklärung

  • FATCA-konforme Offenlegung internationaler Bankkonten

  • teilweise zusätzliche Steuern, selbst wenn im Ausland bereits gezahlt wurde

Die USA gelten daher als eines der strengsten Steuersysteme weltweit.

3.2. Eritrea – das einzige andere Land

Eritrea erhebt eine 2%ige Diaspora-Steuer auf Auslandseinkommen.
Praktisch ist es ein politisches Instrument – allerdings irrelevant für Auswanderer, da kaum jemand eritreische Staatsbürger ist.

4. Welches System ist für Auswanderer am attraktivsten?

Territorialbesteuerung

  • Sehr niedrige Steuerlast

  • Für digitale Arbeit perfekt

  • Ideal für Unternehmer mit globalen Einkünften
    – Erfordert ehrlichen Wohnsitzwechsel
    – Herkunftsland muss steuerlich sauber verlassen werden

Weltweite Besteuerung

  • Klar definierte Regeln

  • Auswanderung möglich, aber komplex
    – Für digitale Nomaden unpraktisch
    – Hohe Steuerlast
    – Gefahr der Doppelbesteuerung

Besteuerung nach Nationalität

  • Nur USA und Eritrea
    – Steuerlich extrem unfrei
    – Steuerpflicht unabhängig vom Wohnort
    – Komplexe Offenlegungspflichten

5. Warum viele Auswanderer Territorialbesteuerung bevorzugen

Territorialsteuersysteme wie Panama oder Costa Rica bieten eine seltene Kombination aus:

  • steuerlicher Freiheit

  • einfacher Bürokratie

  • legaler Null- oder Niedrigsteuerung

  • hoher Lebensqualität

  • stabilen Rahmenbedingungen

  • häufig unkomplizierter Aufenthaltsgenehmigung

Für Menschen mit Online-Einkommen ist Territorialbesteuerung oft die beste rechtliche, steuerliche und finanzielle Option, sofern sie den Schritt ins Ausland wirklich vollziehen.

6. Worauf du achten musst, bevor du aus steuerlichen Gründen auswanderst

Egal welches Land du wählst, diese Punkte sind entscheidend:

6.1. Herkunftsland richtig abmelden

Nur eine Abmeldung beim Einwohnermeldeamt reicht NICHT aus.
Wichtig ist:

  • Lebensmittelpunkt verlagern

  • Bindungen reduzieren

  • keinen Wohnsitz behalten

  • ggf. Unternehmen verlagern

  • Bankkonten strukturieren

6.2. Aufenthaltsrecht im neuen Land sichern

Ein Visum, eine Residency oder eine Foundation/Company-Struktur sind oft notwendig.

6.3. Steuerliche Gestaltung professionell begleiten

Kein YouTube-Video ersetzt eine Beratung.

6.4. Zeit im neuen Land verbringen

Viele Länder verlangen Mindestaufenthaltstage – auch wenn diese niedrig sind.

Fazit: Die Wahl des Steuersystems entscheidet über die Lebensqualität eines Auswanderers

Wer weltweit frei arbeiten oder leben möchte, kommt an der Frage der Besteuerung nicht vorbei. Das jeweilige nationale Steuersystem bestimmt:

  • wie viel Geld du behalten darfst

  • wie frei du deinen Wohnort wählen kannst

  • wie viel Bürokratie du hast

  • wie entspannt dein finanzielles Leben wird

Territorialbesteuerung bietet dabei die größte Freiheit, weltweite Besteuerung ist der komplexe internationale Standard, und Besteuerung nach Nationalität ist ein Sonderfall, der nur die USA betrifft.

Wer die Unterschiede versteht und bewusst entscheidet, kann als Auswanderer nicht nur Steuern sparen, sondern ein wirklich freies Leben aufbauen – ohne Angst, ohne Chaos und ohne rechtliche Risiken.